Unzählige Geschenke erhielt das Geburtskind: Meissner Porzellan, seltene Münzen, Statuen von nackten Frauen oder Kissen bestickt mit dem Spruch, „Heil mein Führer“. Sein Günstling Albert Speer präsentierte ihm die gerade fertiggestellte Ost-West-Achse, die sieben Kilometer lange neue Prachtstrasse der geplanten neuen nationalsozialistischen Hauptstadt, die im Jahre 1950 von Berlin in „Germania“ umgetauft werden sollte.
Der 20. April 1939, der 50. Geburtstag des „Führers“ des großdeutschen Reiches, war Nationalfeiertag. „Der Führer wird vom Volk gefeiert, wie nie sonst ein sterblicher Mensch gefeiert worden ist,“1 schrieb Joseph Goebbels, der das Geburtstagsspektakel inszeniert hatte. Und dieses eine Mal log er nicht. Es war wahrscheinlich nicht einmal eine Übertreibung. Trotz Brutalität und Konzentrationslager, trotz Terror gegen Andersdenkende, trotz barbarischer Maßnahmen gegen Deutsche jüdischen Glaubens oder jüdischer Herkunft, trotz der Skepsis aus intellektuellen und bürgerlichen Kreisen wegen der Vulgarität des Regimes, trotz Kirchenkampfes, war Adolf Hitler – Historiker sind sich einig – der populärste Regierungschef in Europa. Zu seinem 50. Geburtstag erreichte seine Popularität den Höhepunkt. Das Zaudern der Westmächte hatte dem „Führer“ eine Reihe außenpolitischer Erfolge beschert, die die Skepsis vieler wanken ließ.
Im Mittelpunkt der Feierlichkeiten stand eine fast fünf Stunden dauernde Militärparade, die seine außenpolitischen Gegner einschüchtern sollte.
Seit 1933 war es Usus, des „Führers“ Geburtstag zu feiern, aber die Feierlichkeiten 1939 im ganzen Land übertrafen alles Vergangene. Die Belzig-Reetz-Wiesenburger Zeitung brachte auf der ersten Seite die Schlagzeile und zwar in Süttelinschrift, „Freudentag des deutschen Volkes“ und ein in Eichenlaub umrahmte Portrait Hitlers2. Das Zauch-Belziger Kreisblatt druckte eine Sonderbeilage: „Unser Dank dem Führer. Großdeutschland grüßt seine Führer zum 50. Geburtstag“3.
Was die Leser der beiden Blätter zu lesen bekamen, war Lobhudelei, die heute peinlich wirkt. Die Belzig-Reetz-Wiesenburger Zeitung nannte Hitler: „Bester Freund aller“. Im Kreisblatt hieß es:
„Die Energie und Kraft des Führers ist ohne Grenzen.“4
„Und ist die Liebe des Führers zu seinem Volke grenzenlos, so ist es ihr schönster Lohn, zu wissen, daß das gleiche von der Liebe des Volkes zu seinem Führer gesagt werden kann... Immer ist der Führer mitten unter uns, stets fühlen wir seine helfende Hand, daß das Schicksal seines Volkes sein Schicksal ist...sein Ich ist in dem größeren Ich des Volkes aufgegangen. In diese Selbstaufgabe liegt des Menschen höchste Sittlichkeit.“5
„In tiefster Dankbarkeit steht das deutsche Volk heute vor seinem Führer. Es folgt ihm, weil es an ihn glaubt. Es gehorcht ihm bedingungslos, weil es weiß, daß er der Beste ist. Diese bedingungslose, gläubige und opferfreudige Gefolgschaft ist das Geheimnis der Macht des Führers und der Macht des deutschen Volkes. Der Führer bestimmt den Weg des deutschen Volkes. Er sieht die Zukunft voraus.“6
Die Feierlichkeiten in Belzig begannen um 18Uhr30 auf dem Schützenplatz. Dort, wie jedes Jahr zum „Führergeburtstag“ wurde „seine Jugend“ in die Jugendorganisationen aufgenommen. Einundfünfzig Zehnjähige „deutsche Mädchen und Jungen“ wurden in das Jungvolk aufgenommen, 46
Vierzehnjährige in die Hitler-Jugend (HJ) oder in den Bund deutscher Mädel (BDM) aufgenommen.
Entsprechend dem Aufruf des Ortsgruppenleiters Pg. Witte, war die gesamte Stadt festlich geschmückt. Die Straßen waren „ein Fahnenmeer“, die Häuser mit Girlanden geschmückt, in den festlich dekorierten Schaufenstern der Läden waren Bilder des „Führers“ zu sehen. Wie das Kreisblatt schrieb, „Als der Abend hereingebrochen war, flammten in den Fenstern der Häuser die Lichter auf, die wie eine Perlenschnur durch die Straßen liefen. Der dunkle Abend war in ein mildes Licht getaucht.“7
Die Feierstunde fand auf dem Marktplatz statt. Vor dem Rathaus stand ein großes Bild von Adolf Hitler. Fackelträger umsäumten den Platz. Schon um 19Uhr30 war der Platz mit mindestens 2500 Menschen dicht besetzt.
Um 8 Uhr wurde die Feier von Pg. Tesch eröffnet. Eine Kapelle spielte „Die Himmel rühmen des Ewigen Ehre“ und der Männergesangsverein priesen, „mit dem Liede 'Brüder, weihet Herz und Hand‘ des deutschen Volkes unbegrenzte Liebe zu Führer und Vaterland.“ 8
Bevor Pg. Witte die Festrede hielt, wurden Worte des „Führers“ vorgelesen. Der Ortsgruppenleiter mahnte die Hitler-Jugend zur Pflichterfüllung und zur Liebe und Treue zum „Führer“ und zur Fahne. Er nannte die Zwietracht, „die Erbsünde des deutschen Volkes, ...die uns auch um dem Endsieg nach dem gewaltigen Völkerringen gebracht habe.“ Aber, wie er sagte, müssen die Deutschen „dem Gott der Geschichte“ danken, daß er, „aus dem Weltkriege, aus dem Ringen der tausend Schlachten uns eine Mann, den Führer, erhalten habe.“ Er faßte zusammen: „Wenn wir das als ein Wunder ansehen, so verpflichtet uns dieses Wunder dem Führer gegenüber, der es durch den Glauben an das deutsche Volk und durch die überragende Kraft seiner Person, als ein Mann gegen die Uneinigkeit des deutschen Volkes, verstanden habe, durch die Gründung seiner Bewegung eine einige deutsche Nation zu schaffen, und der es vermocht hat, alle deutsche Menschen zu ihrer Pflicht dem Vater lande gegenüber zurückzuführen.“
Nach der Rede sang der Männerchor, „Wo gen Himmel Eiche ragen“.
Das gemeinschaftliche Hören von Rundfunkübertragungen, meistens die Reden Hitlers, gehörte längst zum Alltag im Dritten Reich. Es folgte die Übertragung aus dem Berliner Sportpalast, wo der Stellvertreter des „Führers“, Rudolf Heß, die politischen Führer und Amtsverwalter der Partei und der Frauenschaft vereidigte. Nach der Übertragung wurden auch die politischen Leiter und Amtsverwalter Belzigs „auf den Führer“ vereidigt. Abschließend wurden die beiden Nationalhymen, das „Deutschland-Lied“ und das „Horst-Wessel-Lied“ gesungen.
Die Fackelträger zogen dann durch die Straßen und die Feier setzte sich in den Gasthöfen fort.
In den anderen Orten der Umgebung nahmen die Feierlichkeiten einen relativen einheitlichen Verlauf. Die Häuser waren mit Hakenkreuzfahnen und Girlanden geschmückt. Die Ladenbesitzer stellten „Führerbilder“ in ihre Schaufenster. In Wiesenburg hieß es, „Zwischen prächtigen Blumensträußen sah man in den Schaufenstern das Bild des Führers, umgeben von den Siegesfahnen der Bewegung.“ 9
In vielen Orten hatte es vor der Feierstunde Fackelzüge gegeben. Die Lokale, in denen die Feier stattfanden, meistens „Parteilokale“, waren stets überfüllt. In Reetzerzhütten mußten die Plätze im Lokal Schade schon eine Stunde vor Beginn der Feier eingenommen werden. Nicht alle, die Einlaß begehrten, kamen hinein. Aus Baitz hieß es, „Wie groß die Liebe und Verehrung unseres Führers ist, bewies der überfüllte Saal.“10
Auf den Bühnen der Säle standen Bilder des „Führers“. In Niemegk bot, „Die wirkungsvoll geschmückte Bühne mit dem Führerbild in der Mitte ... einem prächtigen Anblick.“11
Die Feiern begannen mit dem „Fahneneinmarsch“. Es wurde vielerorts gemeinsam gesungen. In Mörz sang man, „Volk ans Gewehr!“ Mitglieder der HJ oder BDM trugen Gedichte vor oder sangen. In Reetz sang „die Jugend des Führers“ das Lied, „Deutschland, heiliges Vaterland“.
Wie in Belzig, wurden überall die Kinder und Jugendliche in das Jungvolk bzw. Hitler-Jugend oder BDM eingeführt. In Reetz sang die HJ nach der „Verpflichtung auf den Führer“, die vom Ortgruppenleiter und Lehrer Pg. Hermann Gottschalk durchgeführt wurde, „Wir sind die Fahnenträger der neuen Zeit“ und „Nichts kann uns rauben“.
Die Reihenfolge war von Ort zu Ort unterschiedlich, aber in jedem Ort hielt der Ortsgruppenleiter die Festansprache. In Niemegk sprach Pg. Kewitz von der, „2000 Jahre langen Sehnsucht der Deutschen nach einem einigen Deutschland und der endlichen Erfüllung dieser Sehnsucht durch Adolf Hitler.“12 Die Rede von Ortsgruppenleiter Pg. Willi Grutzeck in Wiesenburg „klang aus mit der Bitte an den Allmächtigen, uns der Führer noch lange Jahre zu erhalten. Begeistert stimmten alle in das Sieg-Heil auf den Führer ein.“ 13
Der Ortsgruppenleiter in Mörz schloß mit einem, „Dank an den Allmächtigen“ in dem er „das hervorhob, was das deutsche Volk seinem unbekannten Soldaten, seinem Führer und Reichskanzler zu verdanken hat.“23 Anschließend sang man gemeinsam, „Nun danket alle Gott“. Ortsgruppenleiter Pg. Paul in Dahnsdorf beendete seine Ansprache mit einem „dreifachem Sieg-Heil auf unseren Führer“.14
Im Mittelpunkt aller Feierlichkeiten stand die Schmückung des „Führerbildes“ mit Blumen. In Niemegk legten die Führer der SA und SS einen Kranz von das Bild. HJ und BDM stellten Blumensträuße vor das Bild und, „jeder sagte dazu einen Kernspruch“ auf.
In Wiesenburg gab es auch eine Dia-Vorstellung mit Bildern aus dem Leben Adolf Hitlers.
Die Feierstunde wurde mit der „Führerehrung“ und dem Singen der Nationalhymnen“ beendet.
Nach dem „Fahnenausmarsch“ wurde überall getanzt.
Nur in Freienthal verlief die Feier etwas anders, da sie im Freien stattfand. Freienthal gehörte zusammen mit Damelung zu der Ortsgruppe Cammer. Autobusse brachten die Teilnehmer nach Freienthal, wo um 20Uhr die Feier auf dem Festplatz vor dem Gasthaus Händel abgehalten wurde. Das mit einer Girlande geschmückte „Führerbild“ wurde durch zwei Fackelträger der SA beleuchtet. Die Kinder der Orte trugen Lampions.
Gemeinsam hörte man die Rundfunkübertragung der Feier in Berlin an. Ortsgruppenleiter Pg. Wilke aus Cammer las dann Worte von Adolf Hitler vor ehe jeweils ein Mitgleid der HJ und des BDM das „Führerbild“ mit Blumen schmückte.
Nachdem die Kinder und Jugendlichen in das Jungvolk bzw. die HJ oder BDM überwiesen wurden, hielt der Ortsgruppenleiter die Festansprache.
Mit Sicherheit stand die Mehrheit der Menschen in Belzig und Umgebung hinter Adolf Hitler, gerade in dieser Gegend, die lange vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten eine braune Hochburg war. Wenn man aber die Berichte zu den Feierlichkeiten genau ließ, ahnt man, daß es hier und da Menschen gab, die sich nicht hatten einnehmen lassen. Über die Feier in Wiesenburg heißt es, „Es gab bei uns kaum ein Haus, das ohne Fahnen- und Grünschmück gewesen wäre.“15 Also gab es welche, die nicht zur Feier des Tages geschmückt waren. In dem Bericht aus Mörz wird es deutlich ausgedrückt. „Zwei Tage prangten mit weniger Ausnahmen an allen Häusern die Hakenkreuzfahnen. Es gibt scheinbar immer noch Volksgenossen, die nicht begreifen lernen, was sie unserem Führer zu verdanken haben.“16
In der Ausgabe vom 21. April druckte die Belzig-Reetz-Wiesenburger Zeitung einen Aufruf von Hermann Göring, mit dem Titel „Der größte Deutscher aller Zeiten“, in dem er schrieb, „In tiefer Ehrfurcht stehen wir ein einiges Volk vor der Größe des Mannes, dem wie bis in den Tod verschworen sind...“ Fünf Monate später hatte das Sterben schon begonnen.
1 Die Tagebücher Joseph Goebbels. Hg. Von Elke Fröhlich im Aufrag des Instituts für Zeitgeschichte, Teil I: Aufzeichnungen 1923-1941, 9 Bde. Bd. 6. Seite 323. (21.4.39)
2 Belzig-Reetz-Wiesenburger Zeitung, 19. April 1939.
3 Zauch-Belziger Kreisblatt, 19. April 1939.
4„Der Soldat des Volkes“ von Reichpressechef Dr. Otto Dietrich. Zauch-Belziger Kreisblatt, 19. April 1939.
5 „Unser Führer. Der deutsche Mensch und Führer des Volkes“, Zauch-Belziger Kreisblatt, 19. April 1939.
6„Wahres Führertum“ von G. Beßler. “ Zauch-Belziger Kreisblatt, 19. April 1939.
7 Zauch-Belziger Kreisblatt, 19. April 1939.
8 Zauch-Belziger Kreisblatt, 21. April 1939.
9 Belzig-Reetz-Wiesenbunger Zeitung, 21. April 1939.
10 Zauch-Belziger Kreisblatt, 21. April 1939.
11 Zauch-Belziger Kreisblatt, 22. April 1939.
12 Zauch-Belziger Kreisblatt, 22. April 1939.
13 Belzig-Reetz-Wiesenburger Zeitung, 21. April 1939.
14 ibid.
15 Belzig-Reetz-Wiesenburger Zeitung, 21. April, 1939.
16 Zauch-Belziger Kreisblatt, 22. April, 1939.